von Gerhard Meyer Kommentare zu Themen in und um Hannover
NETRADA (jetzt: arvato)-Neubau am Kronsberg: Gefahr durch die ehemalige Deponie Bemerode? 29.11.2012 Anlässlich des ersten Spatenstichs für den Bau des Logistikzentrums von Netrada sind erneut Befürchtungen geäußert worden, es könne Umweltprobleme durch Ausgasungen und kontaminiertes Grundwasser aus der benachbarten ehemaligen Deponie Bemerode geben. Was ist dran an diesen Befürchtungen? Die ehemalige Deponie Bemerode ist im Vorfeld der Weltausstellung EXPO 2000 abgedichtet und überbaut worden mit der Emmy-Noether- Allee und der Grünanlage Kattenbrookspark. Generell muss festgehalten werden, dass früher Deponien von Gemeinden nicht nach heute gültigen Sicherheitsstandards gebaut und betrieben wurden (u.a. doppelte Untergrundabdichtung durch geologische und technische Barriere, Sickerwasser- und Deponiegaserfassung, keine Ablagerung von Sonderabfällen). Altdeponien sind deshalb immer potentiell umweltgefährdend und müssen auf ihr Schadstoffinventar und Gefährdungen für die Umwelt untersucht und entsprechend gesichert werden. Eine Beseitigung der Deponie (Abtragung oder Ausgrabung und Ablagerung des Deponats in einer gesicherten Deponie) ist in aller Regel weder wirtschaftlich darstellbar noch umwelttechnisch sinnvoll. In den meisten Fällen scheidet auch eine Überbauung aus. Anders bei der ehemaligen Deponie Bemerode. Um die Straße bauen zu können, war eine aufwändige Gründung der Trasse auf sog. „Rüttelstopfsäulen“ bis zum gewachsenen Untergrund erforderlich. Mit dieser Technik ist es möglich, Bauwerke standsicher zu gründen, ohne Deponat auszutragen und neue Wegsamkeiten für Gas und Wasser zu schaffen. Die gesamte Deponiefläche wurde gas- und wasserdicht mit einer Kunststoffdichtungsbahn (Deponiefolie) abgedichtet und eine Gasdrainage unter der Abdeckfolie und eine Drainage für das Oberflächenwasser oberhalb der Abdeckfolie geschaffen (s. Prinzipskizze). Dabei gibt es zwei Besonderheiten: Das erfasste Deponiegas wird umweltfreundlich katalytisch verbrannt, und die Abdeckung wird mit einem elektronischen Leckerkennungssystem auf etwaige Undichtigkeiten überwacht. Durch dieses besondere Sicherungssystem ist eine gefahrlose Nutzung der Deponieoberfläche durch Straße und Park möglich.
Wenn man einen „Deckel“ auf eine Gas produzierende Altdeponie stülpt, besteht natürlich die Gefahr, dass sich nicht erfasstes Gas seitlich einen Weg („Austragspfad“) sucht und dann unkontrolliert über den benachbarten Boden austritt. Dem wurde dadurch begegnet, dass Ausgleichsschicht und Abdeckfolie kuppelförmig über dem Deponiekörper aufgetragen wurden, so dass das aufsteigende Gas möglichst vollständig aufgefangen und abgesaugt wird. Das wird auch durch regelmäßige Kontrollen der Bodenluft im Umfeld der Deponie überwacht. Aber: Gürtel und Hosenträger geben doppelte Sicherheit. Deshalb ist es durchaus sinnvoll, auf benachbarten Bauflächen eine Gassperre vorzusehen. Das ist kein Indiz für eine bestehende Gefahr, sondern nur eine vorsorgliche Maßnahme. Was befürchtete Gefahren für das Grundwasser angeht, ist festzuhalten, dass die Netrada-Bebauung zu keiner zusätzlichen Versickerung von Oberflächenwasser führt und der Baukörper nicht in das Grundwasser hineinragt. Es ist deshalb nicht mit einer negativen Beeinflussung des Grundwasserregimes zu rechnen, die zu neuen Auswaschungen von Schadstoffen aus dem Deponiekörper führen könnte. Dass die Anwohner am Kronsberg in ihrer Nachbarschaft die nur sporadisch genutzten und begrünten Parkplätze einem Gewerbebetrieb vorziehen, der zusätzlichen Verkehr bringt, ist verständlich. Und Umweltgesichtspunkte sind immer bei Entscheidungen über Ansiedlungen zu berücksichtigen. Aber man darf den Umweltschutz, wie leider allzu oft, nicht als Vehikel benutzen, um aus anderen Gründen unerwünschte städtebauliche Entwicklungen verhindern zu wollen - insbesondere wenn die behaupteten Umweltgefahren nicht bestehen. 19.05.2014 In der Neuen Presse von heute, die ich als E-Paper auf Reisen gelesen habe, werde ich mit einer Aussage aus 1997 zitiert, dass die ehemalige Deponie Bemerode “die gefährlichste in Hannover” sei. Bezogen auf den Kenntnisstand von 1997 über die Altlastensituation in Hannover stimmt diese Aussage. Sie stimmt aber nicht mehr für die Zeit nach der Sicherung der Deponie. Die Sicherung der ehemaligen Deponie Bemerode geschah mit der seinerzeit zur Verfügung stehenden innovativsten Technologie und war gleichzeitig ein EXPO-Projekt, mit dem der Welt demonstriert wurde, wie eine Altlast gas- und wasserdicht gekapselt und überwacht und die Deponieoberfläche genutzt werden kann. Bekannt ist, dass Anwohner und Betriebe früher alle Materialien, derer sie sich entledigen wollten, ohne Rücksicht auf mögliche Gefahren für die Umwelt sorglos in ihren “Müllkippen” ablagerten. Methan aus der Vergärung organischer Abfälle und mögliche andere Gase konnten ungehindert in die Atmosphäre entweichen und Giftstoffe aus Abfällen konnten durch Sickerwasser nach Regenfällen ungehindert in das Grundwasser ausgewaschen werden. Gefahren durch Gase und Sickerwasser sind nunmehr durch die Deponiesicherung abgewendet. Eine Gefahr besteht aber in der Tat noch: Die Sohle der ehemaligen Deponie ragt in das Grundwasser hinein. Durch den Grundwasserstrom können Schadstoffe in das Grundwasser ausgewaschen werden. Ob und in welchem Umfang das geschieht, muss durch kontinuierliche Schadstoffmessungen im Abstrom der Altablagerung überprüft werden. Sollte eine Gefährdung des Grundwassers eintreten, wird die Region Hannover als zuständige Gefahrenabwehrbehörde sicher eingreifen und weitere Sicherungsmaßnahmen fordern. “Dann sollen sie das Zeug doch einfach rausholen”, wie es Herr Podschadly von der Initiative Pro Kronsberg formuliert, geht allerdings nicht. In der vorliegenden Zusammensetzung ist das Deponat als Sonderabfall einzustufen. Auf eine Hausmülldeponie darf es deshalb nicht. Aufnahmefähige Sonderabfalldeponien gibt es m.W. nur in benachbarten Bundesländern - die aber weigern sich, Sonderabfälle aus Niedersachsen aufzunehmen, wie sich im Fall der Asbestschlammdeponie Fulgurit gezeigt hat. Dessen ungeachtet wäre das Umlagern einer Deponie mit im Detail unbekanntem Inhalt beim Ausheben, Transport und erneutem Einlagern mit einem hohen Umweltrisiko behaftet und würde kaum kalkulierbare Kosten nach sich ziehen. Dagegen gibt es wirksame Technologien, belastetes Grundwasser abzufangen und zu reinigen. Dies wäre für den Fall der Fälle eine realistische Möglichkeit. Zum Schluss ein Wort zu Setzungen. Deponiekörper bestehen aus inhomogenen und (bei Hausmüll) lange Zeit reaktiven Materialien. Setzungen bei Deponiekörpern sind daher unvermeidlich. Die flexible Abdeckung der Deponie kann darauf reagieren und ist nicht gefährdet. Die Straße ist - wie oben dargestellt - mit Hilfe der Rüttelstopfsäulen auf gewachsenem Boden unterhalb der Deponie gegründet und nicht von Setzungen des Deponiekörpers betroffen.
© Gerhard Meyer