von Gerhard Meyer Kommentare zu Themen in und um Hannover
© Gerhard Meyer
Samagon Russland hat den Mindestpreis für einen halben Liter Wodka zum 01. Januar 2013 um etwa ein Drittel von 125 auf 170 Rubel angehoben, das sind ca.4,20 €. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Steuer für reinen Alkohol von 300 auf 400 Rubel pro Liter gestiegen sei. Die Begründung ist allerdings Unsinn. Wenn ein Wodka-Hersteller mehr Alkoholsteuern zahlen muss, schlägt er das selbstverständlich auf den Preis auf. Dazu braucht man keinen Mindestpreis. Kein Unternehmer wird geringere Gewinne oder gar Verluste hinnehmen durch eine alle Konkurrenten treffende Steuererhöhung. Ich habe in Russland auch noch keinen Wodka im Laden gesehen, der zum Mindestpreis angeboten wurde. Marken-Wodka kostete bisher schon etwa gleich viel wie in Deutschland. Wenn der Wodka jetzt teurer wird, dann durch die erhöhte Alkoholsteuer, nicht durch den neuen Mindestpreis. Der Mindestpreis ist eine Maßnahme der russischen Regierung zur Bekämpfung des Alkoholismus. Alkoholismus ist ein gravierendes russisches Problem - und zwar ein zunehmendes! Heute werden rund 52 Prozent aller Todesfälle im Alter von 15 bis 54 Jahren auf die direkten oder indirekten Wirkungen des Alkohols zurückgeführt. Auch die niedrige Lebenserwartung russischer Männer von gegenwärtig nur 59 Jahren, damit 17Jahre weniger als in Deutschland, hat weitgehend die gleiche Ursache. Man muss also dringend etwas tun gegen den Alkoholismus. Aber ist die Mindestpreispolitik eine wirksame Maßnahme? Wohl kaum! Wenn es denn wirklich legal in Russland Wodka zum Mindestpreis zu kaufen geben sollte, würde die Preisanhebung sicher dazu führen, dass Alkoholiker vermehrt auf illegale Quellen zurückgreifen. Die gibt es, aber der Alkohol aus diesen diffusen Quellen ist sehr gefährlich. Dieser Wodka ist oft mit billigem und giftigem Industriealkohol gestreckt. Ein Ausweichen auf illegale und potentiell gefährliche Wodkaquellen kann also nicht gewollt sein. Wahrscheinlicher ist, dass die Russen bei steigenden Wodkapreisen wieder vermehrt auf Samagon zurückgreifen, den selbst gebrannten Wodka. Samagon (eigentlich “Samogon” = “Selbstgebrannter”) hat eine lange Tradition in Russland. Früher war es - vor allem in den ländlichen Gebieten - selbstverständlich, seinen Wodka selbst zu brennen. Familienrezepte für den Samagon wurden von Generation zu Generation weitergegeben und als Familiengeheimnis bewahrt. Deshalb gibt es unzählige Rezept für Samagon. Nur eines gilt für alle Rezepte: Fuselalkohole müssen vermieden werden. Ich habe verschiedentlich in Russland Samagon angeboten bekommen und auch getrunken. Sehr wohl war mir dabei vor dem Genuss nicht immer. Aber ich habe nie irgendwelche Beeinträchtigungen verspürt - keinen Kater, keine Kopfschmerzen. Der Samagon einer befreundeten Familie war für mich immer ein besonderer Genuss. Er konnte es locker aufnehmen mit hochwertigen Weinbrandspezialitäten, ähnelte weder in Farbe noch im Geschmack normalem Wodka. Alle meine Bemühungen, das Rezept zu erforschen, schlugen allerdings fehl. Das Familiengeheimnis wurde nicht preisgegeben, obwohl klar war, dass ich persönlich nie Samagon brennen oder das Rezept an andere Schwarzbrenner weitergeben würde. Ich habe lediglich in Erfahrung bringen können, dass zur Aromatisierung Zedernkerne verwendet wurden. Der kurze Dokumentarfilm “Samagon – Wodka für den Weltfrieden” von Sebastian Heinzel und Eugen Schlegel, 2004 an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" Potsdam-Babelsberg entstanden, zeigt, dass Samagon traditionell zu einem selbstversorgten Leben auf dem Land gehörte. Die freundliche und weise Babuschka Vera ist die Heldin dieses dokumentarischen Märchens. Sie lebt in einem abgelegenen 53-Seelen-Nest im Westen Weißrusslands. Wie fast alle Mütterchen im Dorf hat sie ihren Mann verloren und ist auf sich allein gestellt. Sie hält Gänse, backt Brot und brennt ihren eigenen Schnaps. Der Siebzigprozentige ist wohl nicht ganz unschuldig am frühen Tod der Männer im Dorf, rettete aber auch ihr Dorf im Zweiten Weltkrieg vor den Deutschen.