von Gerhard Meyer Kommentare zu Themen in und um Hannover
© Gerhard Meyer
Russland vs. Europäische Union 03.04.2021 „Wenn du Frieden willst - bereite dich auf den Krieg vor,“ sagte kürzlich der russische Außenminister Lawrow als Warnung vor möglichen neuen europäischen Sanktionen gegen Russland. Während eines Besuchs des EU-Chefdiplomaten Borrell bei Lawrow wurden drei Diplomaten aus Deutschland, Polen und Schweden zu unerwünschten Personen erklärt und zur Ausreise aufgefor - dert. Mit diesen Ausweisungen europäischer Diplomaten hat Russland nicht nur Borrell während seines Besuchs in Moskau unmissverständlich deutlich gemacht, welcher außenpolitische Kurs gegen die EU verfolgt wird. Die Ausweisung der Diplomaten begründet Russland mit deren angeblicher Teilnahme an verbotenen Demonstrationen gegen die Inhaftierung von Kreml-Gegner Nawalny in Moskau und in Sankt Petersburg und belegt dies mit Videoaufnahmen, die die drei Diplomaten auf einer Straße inmitten anderer Passanten zeigen. Ein Beleg für die Teilnahme an einer Demonstration ist dies nicht. Vor allem angesichts der von ehemaligen Diplomaten berichteten ständigen Beobachtung durch den russischen Inlandsgeheimdienst FSB ist anzunehmen, dass Russland über viele Videos mit Straßenszenen verfügt, auf denen europäische Diplomaten zu sehen sind. Die westlichen Sanktionen gegen Russland werden für alle im täglichen Leben auftretenden Engpässe der russischen Wirtschaft verantwortlich gemacht, obwohl sie nur Finanzsanktionen gegen russische Personen und Organisationen, Einreisesperren für einzelne Personen, ein Waffenembargo (auch für zivile Güter, die militärisch genutzt werden können) und Ausrüstungsgüter sowie Technik zur Erdölförderung betreffen, also bewusst keine Güter des täglichen Bedarfs der russischen Bevölkerung. Wenn dennoch russische Bürger*innen im Alltag Einschränkungen spüren, dann durch die Einfuhrsperren von Lebensmitteln aus der EU, die Russland als Gegensanktionen verhängt hat. Die Agitation gegen die Ukraine nach dem „Euromaidan“ zur Jahreswende 2013/2014 war zunächst auf die Bevölkerung Russlands gerichtet. Die Ukraine wird nach russischer Lesart von Faschisten regiert. Jetzt muss man wissen, dass der Begriff „Faschismus“ im russischen Sprachgebrauch ein Synonym für den Nationalsozialismus in Deutschland während der Hitler- Diktatur ist, der millionenfaches Leid über die Russen gebracht hat. Die Annexion der Krim wird auch als Befreiung vom Faschismus verkauft. Seit Beginn des Krieges in der Ostukraine, nachdem bewaffnete Separatisten die „Volksrepublik Donezk“ und die „Volksrepublik Lugansk“ ausgerufen haben und die ukrainische Armee eine Offensive gegen die Separatisten begonnen hat, ist das Hauptaugenmerk der Trolle in Russland darauf gerichtet, der ukrainischen Armee Kriegsverbrechen gegen die überwiegend russisch-stämmige ostukrainische Bevölkerung vorzuwerfen. Auf Europa gerichtet ist der Versuch, die gewaltsame Rebellion in der Ostukraine mit den separatistischen Bewegungen etwa in Katalonien, dem Baskenland, Nordirland oder Schottland auf eine Stufe zu stellen und propagandistisch zu befeuern. Unterdrückte Minderheiten in einem Staat hätten das Recht, ihre Unabhängigkeit zu fordern und durchzusetzen. Da fragt sich doch, ob das auch für Tschetschenien gilt oder für Tibet. 2015 handelten der französische Präsident François Hollande, Bundeskanzlerin Angela Merkel, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sowie der russische Präsident Putin das „Minsker Abkommen“ über eine Deeskalation und Befriedung im Ostukraine-Krieg aus. Im Mittelpunkt standen ein Waffenstillstand und ein Abzug schwerer Waffen aus definierten Sicherheitszonen. Da Vertreter der Separatisten nicht an den Verhandlungen beteiligt waren, unterzeichnete Putin das Abkommen nicht. Mit Ausnahme eines Gefangenenaustauschs haben sich beide Kriegsparteien nicht an das Abkommen gehalten. Die russische Propaganda sieht alle Schuld für Kriegshandlungen allein bei der Ukraine. Natürlich wird bestritten, dass Russland den „Volksrepubliken“ militärische Hilfe leistet. Und was besonders dreist ist: Es wird von der deutschen Bundeskanzlerin verlangt, dass sie die Ukraine dazu bringt, die Bestimmungen des „Minsker Abkommens“ einzuhalten. Schließlich habe sie das Abkommen unterzeichnet. Deshalb müsse sie auch für die Einhaltung des Abkommens sorgen. Jüngste Aktivitäten der russischen Propaganda gegen Europa folgten auf die Giftanschläge auf den ehemaligen Agenten Sergei Skripal und seine Tochter in Großbritannien und den russischen Dissidenten Alexei Navalny. Hinter dem Anschlag auf Skripal stecke die britische Regierung als Ablenkung vom Brexit, und seine Vergiftung sei eine NATO-Verschwörung gegen Russland, behauptete der Kreml. Und Navalny sei nicht in Russland vergiftet worden, sondern wenn denn überhaupt eine Vergiftung vorgelegen haben sollte – erst in Deutschland bei seiner angeblichen medizinischen Behandlung. Nachdem Navalny auf einem Flug von Tomsk nach Moskau bewusstlos zusammengebrochen war, landete der Pilot das Flugzeug außerplanmäßig in Omsk und Navalny wurde in eine dortige Klinik gebracht. Die Ärzte dort vermuteten eine Vergiftung mit „Antipsychotika oder Neuroleptika“ und behandelten Navalny (richtigerweise) mit Atropin. Die Vergiftungsdiagnose wurde am Tag darauf verworfen. Der Chefarzt des Krankenhauses diagnostizierte offiziell eine Stoffwechselstörung aufgrund zu niedrigen Blutzuckers. Toxikologische Substanzen seien nicht identifiziert worden. Merkwürdig ist, dass der zuerst behandelnde Arzt später überraschend verstarb und der Chefarzt inzwischen auf einen höher dotierten anderen Posten versetzt wurde. Merkwürdig ist auch, dass der Kreml es zuließ, Navalny zur Behandlung nach Deutschland auszufliegen. Putin erklärte öffentlich, russische Behörden hätten die Ausreise Nawalnys, der im Koma lag, aus Rechtsgründen verhindern können, er persönlich habe aber nach einer brieflichen Bitte von Julija Nawalnaja die russischen Stellen angewiesen, den Flug zu erlauben. Da stellt sich die Frage, weshalb Putin zugestimmt hat, Navalny ausfliegen zu lassen. Vermutlich hat der Flugkapitän unerwartet gehandelt mit der Notlandung in Omsk, und dadurch war ein Giftanschlag nicht mehr zu verheimlichen. Wäre das Flugzeug mit einem toten Navalny an Bord direkt nach Moskau geflogen, hätte man die Fake-Diagnose „Stoffwechselstörung“ verbreiten können, ohne dass es auch nur den Anschein eines Gegenbeweises gegeben hätte. Hat Putin geglaubt, dass die deutschen Ärzte Navalny nicht würden retten können, so dass man Deutschland ohne Mühe die Schuld an dessen Tod würde zuweisen können? Hat Putin nicht geglaubt, dass ein deutsches Labor Nowitschok würde nachweisen können? Oder ist Putin davon ausgegangen, dass Navalny nach einer Genesung nicht wieder nach Russland zurückkehren würde? Die russischen Reaktionen nach der Rückkehr von Navalny lassen am ehesten diese Fehleinschätzung zu. Denn die Begründung für die sofortige Verhaftung von Navalny nach seiner Wiedereinreise, er habe gegen die Meldeauflagen während seiner Bewährungszeit verstoßen, kann lachhafter nicht sein. Wie kann jemand, der im Koma liegt und der nach Deutschland ausreisen durfte, sich bei einer Moskauer Polizeidienststelle melden? Gegenwärtig feiert die russische Propaganda den Covid-19-Impfstoff „Sputnik V“ als ersten wirksamen Impfstoff auf der Welt gegen das Virus. In aller Welt sei der Impfstoff gefragt, nur nicht in der EU und den USA. Der Pfizer-Impfstoff (BioNTech wird in Russland nicht erwähnt) führe zu starken Nebenwirkungen und Todesfällen, das hätten zahlreiche Publikationen bewiesen. Leider klärten weder die EU-Kommission noch die westlichen Regierungen oder die regierungstreuen Medien die Bevölkerung darüber auf. Die angeblichen Beweise sind Schlagzeilen („Tod nach Corona-Impfung“) und nicht belegte Behauptungen von Boulevard-Blättern und rechts- oder linksextremen Publikationen. Unbestritten ist, dass Menschen zeitnah nach einer Impfung mit BioNTech/Pfizer-Vakzin verstorben sind. Aber ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Tod (also wegen der Impfung verstorben) konnte bisher in keinem Fall nachgewiesen werden. Die Verstorbenen waren allesamt hochbetagt und/oder litten an massiven Vorerkrankungen. Unbestritten ist auch, dass nach einer Impfung häufig leichte Nebenwirkungen auftreten oder Allergiker einen anaphylaktischen Schock erleiden können. Das trifft aber auf alle Impfungen zu, auch mit „Sputnik V“. Momentan steht der in Europa zugelassene Impfstoff von AstraZenica im Mittelpunkt der Kritik, nachdem das Vakzin wahrscheinlich verantwortlich ist für mehrere Krankheits- und Todesfälle mit einer seltenen Hirnvenenthrombose. Natürlich wird in der Propaganda das Risiko, an der Hirnvenenthrombose zu erkranken, maßlos übertrieben. Ob neben den allgemeinen Risiken einer Impfung spezielle seltene Risiken bei „Sputnik V“ aufgetreten sind, ist nicht bekannt. In einem Punkt ist „Sputnik V“ wohl tatsächlich dem Vakzin von AstraZeneca überlegen. Beide sind Vektorimpfstoffe und nutzen Adenoviren, um Genmaterial des Cocid-19-Virus in menschliche Zellen einzuschleusen und so Abwehrreaktionen im Immunsystem hervorzurufen. Während bei AstraZeneca der Impfstoff für die Erst- und die Zweitimpfung gleich ist, wird bei „Sputnik V“ für die Zweitimpfung ein Impfstoff auf Basis eines anderen Adenovirus genutzt. Der Boost-Effekt (erneute Stimulierung des Immunsystems) ist dadurch stärker und „Sputnik V“ insgesamt (soweit bekannt) wirkungsvoller (> 90%) als AstraZeneca (> 60%), obwohl beide Vakzine auf der gleichen Technologie beruhen. Bis zur Veröffentlichung einer Studie russischer Wissenschaftler in „The Lancet“ Anfang Februar waren Sicherheit und Wirksamkeit von „Sputnik V“ nicht unabhängig zu bewerten, weil die Entwickler kaum Daten herausgaben. Die Studie in „The Lancet“ hat auch nicht alle, aber viele Fragen beantwortet. Präsident Wladimir Putin lobte das Fachjournal für seine „Objektivität“. Als „The Lancet“ im Dezember eine Studie über die Vergiftung des Oppositionellen Alexej Nawalny mit dem Kampfstoff Nowitschok publizierte, hatte Putins Sprecher Peskow dazu noch gesagt: „Wir lesen keine medizinischen Zeitschriften“. Und als der international anerkannte italienische Wissenschaftler Enrico M. Bucci, der die Integrität von Manuskripten biomedizinischer Fachzeitschriften und Forschungseinrichtungen prüft, um Überlassung der Rohdaten aus den medizinischen Studien bat, antwortete der Vorsitzende des russischen Gamaleja-Instituts für Epidemiologie und Mikrobiologie, das „Sputnik V“ entwickelt hat, hochnäsig, die Welt habe über 7 Milliarden Einwohner, man könne doch nicht jedem, der danach frage, die gesamten Daten zur Verfügung stellen. Gegenwärtig prüft die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) die Voraussetzungen für eine Zulassung von „Sputnik V“ in Europa. Russland hat ein Interesse an einer europäischen Zulassung, weil dies das internationale Renommee des Impfstoffs stärken würde. Fraglich ist aber, ob Russland an einer Belieferung der EU mit dem Vakzin interessiert ist. Bisher hat Russland Vereinbarungen mit über 40 Ländern über Impfstofflieferungen getroffen, vornehmlich in Lateinamerika, Osteuropa, Asien und Afrika. Die osteuropäischen Länder (Belarus, Serbien, Slowakei, Ungarn, Armenien, Montenegro, Moldawien) sind geschichtlich betrachtet enger mit Russland verbunden als andere europäische Staaten. Bei den Staaten auf anderen Kontinenten spielen geopolitische Interessen Russlands eine große Rolle. (China verfolgt einen ähnlichen Weg mit der Vermarktung seines Vakzins „Sinovac“.) Angesichts der geringen Verfügbarkeit der in der EU zugelassenen Impfstoffe bekunden inzwischen mehrere EU- Staaten (auch Deutschland) Interesse an „Sputnik V“, scheinen aber anders als Ungarn und Slowakei auf eine Zustimmung der EMA zu warten. Die internationale Nachfrage nach „Sputnik V“ scheint die gegenwärtigen Produktionskapazitäten zu übersteigen. Jedenfalls sucht Russland im Ausland nach zusätzlichen Produktionsstätten für das Vakzin. Innerhalb des eigenen Landes ist Russland mit den Massenimpfungen nicht viel weiter als die EU. Als Ursula von der Leyen Ende Februar die Frage stellte, wie es sein könne, dass Russland anderen Ländern Millionen Dosen seines Corona-Impfstoffs „Sputnik V“ anbiete und daheim nur langsam mit dem Impfen vorankomme, reagierte Putin erbost auf „die jüngsten Versuche, unsere Errungenschaften auf dem Gebiet der Medizin im Kampf gegen das Coronavirus in Frage zu stellen“. Dennoch musste er interne Probleme zugeben: „Wir können stolz darauf sein, dass unsere Impfstoffe die sichersten und effektivsten der Welt sind. Dennoch gibt es Fragen zur Logistik, zur Organisation von Impfzentren. In einigen Regionen der Föderation, ich glaube in neun Regionen, haben sie noch gar nicht mit der Impfung begonnen.“ Dass es in Russland eine verbreitete Impfskepsis gibt und die Impfbereitschaft gering ist (sie liegt laut Umfragen nur bei gut 30%), erwähnte er nicht. Im Internetportal „dekoder“, das Texte russischer Journalisten in deutscher Übersetzung zugänglich macht, ist ein interessanter Artikel von Maxim Trudoljubow nachzulesen (https://www.dekoder.org/de/article/corona-impfung-sputnik- propaganda), der sich mit der russischen Impfquote und dem Einfluss der russischen Propaganda auf die Impfskepsis der Russen befasst. „Gam-COVID-Vac“ ist der offizielle Name des der Öffentlichkeit als „Sputnik V“ vorgestellten russischen Impfstoffs. Der öffentlich gebrauchte Name soll deutlich machen, dass Russland wie im Wettlauf um den ersten Satelliten im All auch im Wettlauf um den ersten wirksamen Covid-19-Impfstoff der Sieger ist. Das „V“ steht zwar für „Vaccine“, ist aber auch seit Churchill ein Symbol für „Victory“. Russland möchte an glorreiche Zeiten der Sowjetunion anknüpfen, an den Sieg über Deutschland, die Befreiung Europas vom Faschismus (diese Rolle reklamieren die Russen stets für sich allein, die alliierten Amerikaner und Briten werden nie erwähnt). Die Sehnsucht nach einer internationalen Erstklassigkeit ist bei den Russen sehr stark, sei es im Sport, in der Wissenschaft, in der Raumfahrt oder bei militärischer Technik. Jeder Erfolg im Wettbewerb mit anderen Staaten wird propagandistisch ausgeschlachtet und gebührend gefeiert. Es ist unübersehbar, dass Russland die Corona-Pandemie von Anfang an nutzen wollte, international Präsenz zu zeigen und Einfluss in den EU-Staaten zu gewinnen. Als der russische Katastrophenschutz im Frühjahr 2020 eine Hilfslieferung nach Norditalien schickte, landeten die Hilfsflugzeuge nicht etwa in Genua oder Mailand, sondern in Rom, von wo die Hilfsgüter dann in einer fahnengeschmückten LKW-Kolonne quer durch das Land nach Bergamo gebracht wurden. In Rom war man sich eines Empfangs durch hochrangige Regierungsvertreter mit weltweit verbreiteten Fernsehbildern sicher, und möglichst viele Italiener sollten mit eigenen Augen sehen, dass Russland hilft (was EU-Staaten bis dahin noch nicht getan hatten). Zitat des Abgeordneten Andrej Turtschak von der Partei „Einiges Russland“ zur Rolle Russlands in der Corona-Pandemie: „Wir besiegen die Pandemie. Unser Impfstoff ist der beste der Welt die anderen planen nur. Wir haben die Familie und ihre Werte die haben Gender und Transgender.“ Es wird ein Grundprinzip russischer Politik deutlich. Der nationale Schulterschluss, der die öffentliche Stimmung nach der Annexion der Krim prägte, wurde durch die Aktionen des wenig populären Oppositionspolitikers Alexei Nawalny gestört. Der Kreml reagierte empfindlich, um deutlich zu machen, dass ein Rückgrat Russlands ein starker Herrscher und ein starker Staat seien. Russland bilde eine eigene Zivilisation, die nicht nach westlichen Vorbildern reformiert werden dürfe. Prägend ist auch der Einfluss der russischen Orthodoxie. In ihren Sozialdoktrin ist die Rede von „kulturellen Unterschieden“ zwischen den christlichen Kirchen. Die russische Orthodoxie zeichne sich durch Patriotismus aus und müsse die nationale Kultur bewahren. Die Gläubigen seien aufgerufen, der Staatsgewalt Gehorsam zu leisten und für sie zu beten. Putin erklärt: „Der russischen Weltanschauung liegt die Vorstellung von Gut und Böse, von höheren Mächten, vom Göttlichen zugrunde. Das westliche Denken ist von Interesse und Pragmatik geprägt.“ Der Kreml versteht sich als Hüter überkommener zivilisatorischer Werte, die nicht zur Disposition stehen. In der Strategie zur nationalen Sicherheit von 2015 werden als solche Werte etwa der Vorrang des Geistigen vor dem Materiellen, die Familie und der Dienst am Vaterland genannt. Vor diesem Hintergrund wäre jede Veränderung der politischen Führung schädlich für die „zivilisatorische Identität“ des Landes. Bei den antieuropäischen Aktivitäten Russlands geht es nicht um den reinen Machterhalt, sondern um die Verteidigung eines konservativen, antiwestlichen Wertesystems, das die Herrschaft im Innersten zusammenhält. Eine Randnotiz: Beim Rückflug nach meinem letzten Russland-Besuch von Moskau nach Hannover stand beim Einstieg in das Flugzeug überraschend eine freundlich lächelnde FSB-Mitarbeiterin in Uniform (erkennbar am Ärmelemblem) an der Fluggasttreppe. Normalerweise legen doch Geheimdienstmitarbeiter/innen Wert darauf, nicht erkannt zu werden. Welchen Auftrag hatte sie? Sie hat weder ein weiteres Mal die Personalien der Passagiere noch die Bordkarten überprüft. War sie nur eine „Grußtante“? Oder sollte es ein Signal an die Passagiere sein: „Wir hatten Sie jederzeit im Blick“ oder auch „Wir haben für Ihre Sicherheit gesorgt“. Ob sie letztlich mit in das Flugzeug eingestiegen ist und uns den ganzen Flug begleitet hat, konnte ich als Economy-Passagier nicht beobachten. Auf jeden Fall ist es schon bemerkenswert, wenn man in einem Staat von einer Geheimdienst-Mitarbeiterin „verabschiedet“ wird!