Hochwasser
19.06.2013
Gewiss, die jährlichen Hochwasser in Hannover sind in ihren Auswirkungen nicht vergleichbar mit der gegenwärtigen Hochwasserkatastrophe an Donau
und Elbe und ihren Nebenflüssen.
Aber alljährlich im Frühjahr zur Zeit der Schneeschmelze und nach längeren Regenperioden im Harz und Harzvorland führt die Leine Hochwasser und
ufert aus. Bis in das Mittelalter war die hannoversche Altstadt deshalb bei jedem Hochwasser überflutet. Als Schutzmaßnahme wird ein Teil des
Leinewassers, reguliert durch ein Wehr, über den „Schnellen Graben“ in den Nebenfluss Ihme abgeleitet. Die hannoversche Altstadt wird so bereits
seit 1449 - erstmalig erwähnt - vor Hochwasser geschützt.
„Ausufern“: in und um Hannover darf das die Leine. Die Leineauen sind weitgehend unbebaut geblieben und dienen als natürliche Rückhalteflächen bei
Überschwemmungen. Dennoch gab und gibt es einige Schwachpunkte. Die Ohnesorg-Brücke über die Ihme hatte bei Hochwasser eine zu geringe
Durchflussbreite. Eine neue Brücke mit breiterem Durchlass wurde gebaut und in diesem Zusammenhang gleich noch unbebaute, höher liegende
Uferfläche abgegraben, so dass eine neue Retentionsfläche entstand. Dadurch wird es möglich, flussaufwärts einen Hochwasserschutzdamm für den
tief gelegenen Stadtteil Ricklingen zu verlängern, ohne die Hochwassergefahren für die Anrainer flussabwärts zu verstärken.
Das Abgraben eines als Erholungsfläche genutzten Uferbereichs mit zahlreichen Baumfällungen führte natürlich zu massiven Bürgerprotesten, aber in
der Interessenabwägung der Politiker hat die Vernunft letztlich gesiegt. Der abgesenkte Uferbereich kann ja weiterhin als Erholungsfläche genutzt
werden – eben nur nicht bei Hochwasser.
In der Region Hannover gibt es das Ziel, bebaute Bereiche bei einem HQ 100 (statistisches hundertjährliches Hochwasser) vor Überflutungen zu
schützen und bei einem HQ 200 (statistisches zweihundertjährliches Hochwasser), bei dem auch Siedlungsbereiche überflutet würden, auf jegliche
Schutz-, Sicherungs- und Hilfsmaßnahmen für die betroffene Bevölkerung vorbereitet zu sein.
Eine wichtige politische Maßnahme war, im Regionalen Raumordnungsprogramm neue Bebauungen in den Überflutungsbereichen eines HQ 100 durch ein
Siedlungsverbot zu verhindern. Bei neuen Baugebieten in HQ 200-Bereichen soll in den örtlichen Bebauungsplänen eine hochwassersichere Bauweise
vorgeschrieben werden.
Das, was sich vor einigen Jahren in einer Gemeinde der Region zugetragen hat, soll sich nicht wiederholen: In der Gemeinde gibt es einen Bach, der nach
starken Regenfällen regelmäßig über die Ufer tritt. Bei der Realisierung eines Neubaugebietes wurde deshalb die Erschließungsstraße als
Hochwasserentlaster ausgebaut. Sie hat bewusst keine Straßenabläufe, Revisionsschächte und abgesenkte Grundstückszufahrten. Bei dem ersten
Hochwasser nach Fertigstellung des Baugebietes war die Straße bestimmungsgemäß sofort überflutet und leitete das Hochwasser schadlos ab. Die
örtliche Feuerwehr jedoch registrierte eine überflutete Straße und riegelte den Hochwasserzufluss mit Sandsäcken ab, vermeintlich um die Anwohner
zu schützen. Die Folge war, dass das bisher verschonte Ortszentrum einschließlich Neubaugebiet dadurch überflutet wurde.
Es ist also wichtig, alle Katastrophenschutzeinheiten und alle potentiell betroffenen Einwohner zu informieren und zu schulen, damit im richtigen
Moment auch das Richtige getan wird.
Nun, die Leine ist kein Strom wie Donau oder Elbe. Und die Hochwassergefahren sind nicht vergleichbar. Aber Region und Stadt Hannover zeigen doch
im Kleinen, wie man sich wappnen sollte, um Hochwassergefahren zu begegnen. Das gesetzliche Instrumentarium für einen effektiveren
Hochwasserschutz steht zur Verfügung. Man muss es nur nutzen wollen, insbesondere müssen Ober- und Unterlieger an den Flüssen über politische
Grenzen und Ebenen hinweg zusammenarbeiten und man muss die finanziellen Mittel für Investitionen und Entschädigungen bereitstellen, auch wenn es
genug andere öffentliche Ausgabebedarfe gibt.
Politiker haben gemeinwohlorientierte Entscheidungen zu treffen. Da kann insbesondere bei der Ausweisung von Retentionsflächen nicht einseitig auf
Individualinteressen von Grundeigentümern Rücksicht genommen werden. Zum Beispiel ist ein Verbot von Abflusshindernissen, wie ortsfeste Zäune,
Viehunterstände oder Feldscheunen, im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums durchaus zulässig. Aus dem Schutzzweck resultierende
Bewirtschaftungserschwernisse haben sie grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen. Wenn die Flächen dann überschwemmt werden, haben sie aber
selbstverständlich einen Anspruch auf Ersatz ihrer Nutzungs-(Ernte-)ausfälle und notwendigen Aufwendungen für die Wiederherrichtung der Flächen.