von Gerhard Meyer Kommentare zu Themen in und um Hannover
© Gerhard Meyer
Schwarzwälder Schinken Haben Sie sich schon einmal gefragt, weshalb der Schwarzwälder Schinken so stark geräuchert ist? Gewiss, er bekommt dadurch seinen typischen Geschmack. Aber wird er um des Geschmacks willen so stark geräuchert oder ergibt sich der Geschmack, weil er so stark geräuchert wird? Ich bin dieser Frage nicht gezielt nachgegangen, bin aber neulich bei einem Besuch im Schwarzwald zufällig auf eine Antwort gestoßen (obgleich ich mir die Frage bis dahin nie gestellt hatte). Bei einer Besichtigung historischer Schwarzwaldbauernhöfe im Freilichtmuseum Vogtsbauernhof fiel das durchgängige Fehlen von Kaminen auf. Tatsächlich verfügten die alten Schwarzwaldhöfe nicht über einen kontrollierten Rauchabzug. Von den Feuerstellen in den Küchen stieg der Rauch durch Luken und Schächte nach oben bis in den Dachraum. Der Rauch wurde also im Haus gehalten. Ein „Funkenhut“, im Schwarzwald „Gewölme“ genannt, ein mit einer Lehm-Stroh-Mischung verschmiertes Geflecht aus Haselnussruten über den Feuerstellen verhinderte, dass die Holzkonstruktion der Häuser durch Funkenflug Feuer fing. Der Rauch hatte besondere Aufgaben: Der abziehende Rauch des offenen Herdfeuers konservierte das Gebälk und machte es durch Räuchern gegen Schädlingsbefall widerstandsfähig. Durch den warmen Rauch wurde das auf dem Dachboden gelagerte Getreide getrocknet und ebenfalls vor Schädlingsbefall geschützt. Im Küchengewölbe waren Rauchstangen befestigt, an denen Schinken, Würste oder Kräuter hingen; eben alle Lebensmittel, die durch den Rauch konserviert wurden. Klar, dass eine derartige Küche mit offener Feuerstelle nach und nach völlig verrußte und zu Recht „Schwarzküche“ oder „Schwarze Küche“ genannt wurde oder auch „Rauchküche“ durch den ständigen Rauch in der Küche. Der durch das Holzfeuer auf dem Herd verursachte Rauch sammelte sich zuerst in der Küche, bevor er dann durch die Luken und Schächte in andere Bereiche des Hauses abzog. Der zum Räuchern in der Küche aufgehängte Schinken war so lange Zeit dem Rauch ausgesetzt und erhielt sein typisches Raucharoma, das ihn von den andernorts luftgetrockneten Schinken unterscheidet. Lange Zeit dem Rauch ausgesetzt waren aber auch die Frauen, die in den Küchen die Speisen zubereiteten. Der Museumsführer wies denn auch zu Recht darauf hin, dass die Frauen einem besonderen Gesundheitsrisiko ausgesetzt waren. Rauchfrei waren in den Häusern allerdings nur zwei Räume: die „Gute Stube“ mit einem Kachelofen, der von hinten in der Schwarzküche befeuert und dessen Rauch ebenfalls über die Schwarzküche abgeleitet wurde (s. Pfeil auf dem Foto links), und das über der beheizten Stube angeordnete und von hier zugängliche Schlafzimmer des Bauernehepaares. Alle anderen Räume des Hauses waren permanent mehr oder minder verraucht durch das offene Holzfeuer des Herdes in der Schwarzküche. Die Feinstaubbelastung im Haus muss immens gewesen sein. Holzfeuer führen einerseits zu gasförmigen Emissionen, hauptsächlich Kohlendioxid (CO 2 ) und Wasserdampf, aber auch Kohlenmonoxid (CO), Stickoxiden (NO X ) und organischen Verbindungen. Andererseits werden feste Rauchpartikel als Ruß und Feinstaub mit Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) emittiert. Wird Kohlenmonoxid eingeatmet, führt dies zu einem Sauerstoffmangel im Blut, der akut zu Kopfschmerzen und Schwindel führt, bei hohen CO-Konzentrationen in der Atemluft auch zum Tod. Todesfälle durch Kohlenmonoxid dürfte es aber in den Schwarzküchen wohl nicht gegeben haben. Ungleich schwerwiegender waren die Gesundheitsgefahren durch den Rauch. Pro Kilogramm Holz können mehrere Mikrogramm PAK entstehen. Sie sind potentiell karzinogen (krebserregend). Mit PAK beladene Rauchpartikel in einer Größe von weniger als einem Mikrometer gelangen tief in die Atemwege und können dort nachweislich Atemwegsinfektionen sowie chronische Bronchitis und Lungenkrebs verursachen. Medizinische Studien lassen den Schluss zu, dass eine Exposition mit Holzrauch von vier Stunden pro Tag die Wahrscheinlichkeit von Atemwegsproblemen um etwa 15 bis 20 Prozent erhöht. Zurück zu meiner Eingangsfrage: Früher führte das starke Räuchern in der Schwarzküche zwangsläufig zu dem typischen Rauchgeschmack. Heute wird extra stark geräuchert, um den traditionellen Geschmack zu erzielen. Was macht PAK so gefährlich? Sie sind als karzinogen einzustufen, weil sie bei der Metabolisierung im Körper zu organischen Verbindungen (Epoxiden) oxidiert werden, die mit der DNA reagieren können und dann zu Karzinomen führen. Dabei kommt es nicht darauf an, wie die PAK in den Stoffwechselkreislauf des Körpers gelangen. Das beliebte Grillsteak oder die Bratwurst vom Holzkohlengrill und alle Räucherwaren sind ebenso PAK-belastet wie der Feinstaub unserer Umgebungsluft durch Industrieabgase, Dieselruß und Holzfeuerungen. Und je mehr PAK wir aufnehmen, desto mehr wächst das Risiko, dass wir an Krebs erkranken.