Schwarzwälder Schinken
Haben Sie sich schon einmal gefragt, weshalb der Schwarzwälder Schinken so
stark geräuchert ist? Gewiss, er bekommt dadurch seinen typischen Geschmack.
Aber wird er um des Geschmacks willen so stark geräuchert oder ergibt sich der
Geschmack, weil er so stark geräuchert wird? Ich bin dieser Frage nicht gezielt
nachgegangen, bin aber neulich bei einem Besuch im Schwarzwald zufällig auf eine
Antwort gestoßen (obgleich ich mir die Frage bis dahin nie gestellt hatte).
Bei einer Besichtigung historischer Schwarzwaldbauernhöfe im Freilichtmuseum
Vogtsbauernhof fiel das durchgängige Fehlen von Kaminen auf. Tatsächlich
verfügten die alten Schwarzwaldhöfe nicht über einen kontrollierten Rauchabzug.
Von den Feuerstellen in den Küchen stieg der Rauch durch Luken und Schächte
nach oben bis in den Dachraum. Der Rauch wurde also im Haus gehalten. Ein „Funkenhut“, im Schwarzwald „Gewölme“ genannt, ein
mit einer Lehm-Stroh-Mischung verschmiertes Geflecht aus Haselnussruten über den Feuerstellen verhinderte, dass die
Holzkonstruktion der Häuser durch Funkenflug Feuer fing.
Der Rauch hatte besondere Aufgaben: Der abziehende Rauch des offenen Herdfeuers konservierte das Gebälk und machte es
durch Räuchern gegen Schädlingsbefall widerstandsfähig. Durch den warmen Rauch wurde das auf dem Dachboden gelagerte
Getreide getrocknet und ebenfalls vor Schädlingsbefall geschützt. Im Küchengewölbe waren Rauchstangen befestigt, an denen
Schinken, Würste oder Kräuter hingen; eben alle Lebensmittel, die durch den Rauch konserviert wurden.
Klar, dass eine derartige Küche mit offener Feuerstelle nach und nach völlig
verrußte und zu Recht „Schwarzküche“ oder „Schwarze Küche“ genannt wurde oder
auch „Rauchküche“ durch den ständigen Rauch in der Küche. Der durch das
Holzfeuer auf dem Herd verursachte Rauch sammelte sich zuerst in der Küche,
bevor er dann durch die Luken und Schächte in andere Bereiche des Hauses abzog.
Der zum Räuchern in der Küche aufgehängte Schinken war so lange Zeit dem Rauch
ausgesetzt und erhielt sein typisches Raucharoma, das ihn von den andernorts
luftgetrockneten Schinken unterscheidet.
Lange Zeit dem Rauch ausgesetzt waren aber auch
die Frauen, die in den Küchen die Speisen
zubereiteten. Der Museumsführer wies denn auch zu Recht darauf hin, dass die Frauen einem
besonderen Gesundheitsrisiko ausgesetzt waren. Rauchfrei waren in den Häusern allerdings nur
zwei Räume: die „Gute Stube“ mit einem Kachelofen, der von hinten in der
Schwarzküche befeuert und dessen Rauch ebenfalls über die Schwarzküche
abgeleitet wurde (s. Pfeil auf dem Foto links oben), und das über der
beheizten Stube angeordnete und von hier zugängliche Schlafzimmer des
Bauernehepaares. Alle anderen Räume des Hauses waren permanent mehr
oder minder verraucht durch das offene Holzfeuer des Herdes in der
Schwarzküche. Die Feinstaubbelastung im Haus muss immens gewesen sein.
Holzfeuer führen einerseits zu gasförmigen Emissionen, hauptsächlich Kohlendioxid (CO
2
) und Wasserdampf, aber auch Kohlen-
monoxid (CO), Stickoxiden (NO
X
) und organischen Verbindungen. Andererseits werden feste Rauchpartikel als Ruß und Feinstaub
mit Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) emittiert.
Wird Kohlenmonoxid eingeatmet, führt dies zu einem Sauerstoffmangel im Blut, der akut zu Kopfschmerzen und Schwindel führt,
bei hohen CO-Konzentrationen in der Atemluft auch zum Tod. Todesfälle durch Kohlenmonoxid dürfte es aber in den
Schwarzküchen wohl nicht gegeben haben.
Ungleich schwerwiegender waren die Gesundheitsgefahren durch den Rauch. Pro Kilogramm Holz können mehrere Mikrogramm PAK
entstehen. Sie sind potentiell karzinogen (krebserregend). Mit PAK beladene Rauchpartikel in einer Größe von weniger als einem
Mikrometer gelangen tief in die Atemwege und können dort nachweislich Atemwegsinfektionen sowie chronische Bronchitis und
Lungenkrebs verursachen. Medizinische Studien lassen den Schluss zu, dass eine Exposition mit Holzrauch von vier Stunden pro
Tag die Wahrscheinlichkeit von Atemwegsproblemen um etwa 15 bis 20 Prozent erhöht.
Was macht PAK so gefährlich? Sie sind als karzinogen einzustufen, weil sie bei der Metabolisierung im Körper zu organischen
Verbindungen (Epoxiden) oxidiert werden, die mit der DNA reagieren können und dann zu Karzinomen führen. Dabei kommt es
nicht darauf an, wie die PAK in den Stoffwechselkreislauf des Körpers gelangen. Das beliebte Grillsteak oder die Bratwurst vom
Holzkohlengrill und alle Räucherwaren sind ebenso PAK-belastet wie der Feinstaub unserer Umgebungsluft durch Industrieabgase,
Dieselruß und Holzfeuerungen. Und je mehr PAK wir aufnehmen, desto mehr wächst das Risiko, dass wir an Krebs erkranken.
Zurück zu meiner Eingangsfrage: Früher führte das starke Räuchern in der Schwarzküche zwangsläufig zu dem typischen
Rauchgeschmack. Heute wird extra stark geräuchert, um den traditionellen Geschmack zu erzielen.